Taverne der Strahlenden Sonne

Neil konnte nichts dazu sagen. Sias hatte ihn total verblüfft. Ja, Shari hatte total Recht, mit dem, was sie sagte. Jedoch konnte er ihr nicht zustimmen. Sias war nun einmal einer der ältesten. Er hatte sich im Laufe der Zeit großen Respekt verschafft und das nicht einfach so. Es gab schon gewisse Gründe dafür, dass Sias derjenige war, der er war. Und auch sein Charakter erklärte sich von selbst, wenn man Sias seine Vergangenheit kannte. Neil hatte nur Bruchstücke darüber erfahren, jedoch waren allein diese Teile seiner Vergangenheit schockierend gewesen. Sias hatte es nie leicht gehabt. Und er war so, wie er war, weil er dafür kämpfte, dass es jedem besser ging als ihm. Natürlich musste man für sich allein sorgen können. Sonst war man in dieser Welt aufgeschmissen. Da hatte er vollkommen Recht. Sias hatte sich falsch verhalten.

Entschuldige, Sias. Ich wollte soetwas nicht sagen, ich war nicht bei mir.

Neil ließ Shari los.

Ich bin jetzt mal weg... Machs gut. Gute Besserung. Und Alea.. - Danke für die schnelle Hilfe.

Neil verwandelte sich und schlich dann langsam aus der Taverne.

Shari rappelte sich auf. Sie wusste ganz genau, was sie gesagt hatte und sie hatte es auch ernst gemeint. Und nein, ihrer Meinung nach war nichts von all dem, was ihr entwichen war, übertrieben gewesen. Sie hatte Sias endlich einmal klargemacht, wie sie seine Art fand und warum es sie so sehr ankotzte, wenn er so war.

Nein, das muss ich mir nicht geben. Sias, ständig bist du der erhabene Wolf, der alles kann und alles tut. Und wenn mal jemand ein wahres Wort spricht, dann tust du so, als hätte man dich zutiefst verletzt. Als ob das überhaupt möglich wäre. In der Zeit, in der du hier gewesen bist, hast du dich echt sehr verändert. Ich weiß nicht, wie es passiert ist, aber anscheinend hast du dein Herz verloren. Ich lass mir nichts vorspielen. Wenn du endlich mal eingesehen hast, dass ich recht habe - vollkommen, mit jedem einzelnen Wort - dann kannst du gerne zu mir kommen und mir bescheid sagen. Aber ich werde dir nicht weiter hinterherlaufen. Das mache ich nicht länger mit.

Shari blickte zu dem Fellbündel, welches in der Ecke des Sofas lag. Nein, sie durfte nun kein Mitleid mit ihm haben. Sie musste stark sein. Also ging sie entschlossen zur Tür, verließ die Taverne und knallte die Tür hinter sich mit Schwung wieder zu.

Pia lief durch den Wald. Wo war sie? Und wie verdammt nochmal war sie dorthin gekommen? Seit geschätzten zwei Stunden hatte sie nichts anderes außer Bäume und Sträucher gesehen. Keinen Menschen, kein Tier, nichts. Was war geschehen? Mit der Zeit hatte sie sich bereits ihre Füße wund gelaufen. Wo ihre Schuhe waren, das wusste sie genau so wenig. In ihrem Kopf liefen Gedanken um die Wette. Mit einem Mal kam sie zu einer Hütte. Sie ähnelte einer Taverne und sah ziemlich verfallen aus. Ob sie dort jemanden finden würde, der ihr helfen könnte? Sie hoffe es. Was jedoch war, wenn sich in dieser Hütte böse Menschen befanden? Dann würde sie vielleicht sterben oder mit ihr würden schreckliche Dinge passieren. Sollte Pia hineingehen oder lieber nicht? Sie war sich nicht sicher.

Einerseits brauche ich echt Hilfe. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin. Andererseits jedoch weiß man ja nicht, wer sich dort in der Hütte aufhält und wem ich dort in die Arme laufen könnte... Man, was mach' ich denn..?

Nach einiger Zeit entschied sich Pia für das Betreten der Taverne. Die Tür knarrte beim Öffnen und fiel hinter ihr automatisch wieder in ihr Schloss. Die Taverne schien verlassen zu sein. Unten befand sich eine Sitzecke mit Kamin und eine Bar mit Barhockern. Dann war dort nur noch eine Treppe, die wohl in ein weiteres Stockwerk zu führen schien.

Ich setz' mich einfach hin warte darauf, dass jemand kommt. Das sieht hier nicht danach aus, als würden hier böse Menschen leben.

So näherte sich Pia der Sitzecke. Doch als sie sah, dass dort ein Wolf auf dem Sofa lag, schrie sie auf. Kurz danach presste sie ihre Hand auf den Mund und regte sich nicht mehr.

Sias schreckte auf. Er war gerade eingeschlafen, da hatte er einen Schrei gehört. Seltsam jedoch war es, dass dieser aus diesem Raum gekommen war. Sias hob vorsichtig den Kopf, dann sprang er mit einem Satz vom Sofa. Vor ihm stand ein junges Mädchen, vielleicht war die gerade einmal 16 Jahre alt. Sie stand wie versteinert vor ihm und presste sich eine Hand vor den Mund. Was machte dieses Mädchen hier in dieser Gegend? Hier kam niemand hin, der nicht solch ein Wesen war, wie alle, die dort lebten. Also musste sie eine Neue sein.

Hallo... Ich bin Sias. Bevor du nun schreist, weil du Angst hast oder ähnliches, lass mich dir etwas erklären. Ich bin ein Wolf. Jetzt in diesem Moment. Aber ich kann mich auch zu jeder Zeit wieder zu meinem Menschen verwandeln. Sozusagen habe ich zwei verschiedene Seelen in mir, die jedoch zu einer geworden sind. Wolf und Mensch. Und hier in diese Gegend kommt niemand, den nicht ein solches Schicksal getroffen hat. Vielleicht weißt du gerade gar nicht, was ich von dir will, aber auch du besitzt eine Gabe. Eine zweite Seele in dir.

Sias verwandelte sich und bleb ganz ruhig stehen.

Es liegt nun an dir, ob du herausfinden möchtest, was du alles kannst und ob du hier bleiben möchtest. Dazu muss ich leider sagen, dass du niemals wieder zurück nach Hause kommen wirst. Du kannst dir lediglich überlegen, ob du hier bei uns bleiben willst, oder ob du allein weiterziehen willst. Hier leben viele von uns. Und wir sind alle relativ lieb.

Sias betrachtete das Mädchen. Er hoffte, dass sie sich ihnen anschließen würde. Alleine würde sie nur Arat und Anne in die Arme laufen und sie wäre verloren. Das wollte er verhindern. Jedoch wollte er ihr auch keine Angst machen, indem er ihr direkt erzählte, dass oftmals Angriffe aus der Unterwelt stattfinden würden und dass sie dabei relativ einfach sterben würde.

Pia hatte erneut aufgeschrien, als der Wolf aufgesprungen war. Als er jedoch begonnen hatte, mit ihr zu reden, war sie erneut wie versteinert gewesen. Sie brachte noch immer kaum einen Ton heraus. Es war schwer zu glauben, was dieser Wolfsmensch dort zu ihr sagte. Er hatte sich vor ihren Augen in einen Menschen verwandelt, obwohl er Skeunden zuvor noch als Wolf vor ihr gestanden hatte. Was ging hier vor sich? Und was redete er da? Sie sollte angeblich genau so sein, wie er? Ob das stimmte?

... Hey... Ich bin .. Ich heiße Pia. Ich bin aufgewacht und lag plötzlich irgendwo hier im Wald rum. Ich bin zwei Stunden lang durch den Wald gelaufen und dann habe ich diese Taverne hier gefunden. Ich wollte dich nicht stören. Es ist schwer zu glauben, was du dort sagst. Ich soll genau so sein wie du? Wie geht das? Und wie finde ich das heraus? Warum kann ich nicht mehr nach Hause?

Nun sprudelten die Fragen nur so aus Pia heraus. Ja, warum konnte sie nicht mehr nach Hause?! Sie liebte ihr zu Hause, wer wollte ihr denn verbieten, dorthin zurückzukehren...? Naja, ein Problem gab es dort wirklich. Sie wusste überhaupt nicht, wie sie zurück nach Hause kommen sollte. Wie auch? Sie wusste ja auch nicht wo sie selbst war.

Sias.... Hm. .... Ich habe Angst.

Pia begann langsam zu zittern. Ja, sie hatte Angst. Angst vor diesem Sias und Angst vor dem, was mit ihr alles passieren würde. Sagte er das nur, um sie zum Mittagessen zu verspeisen? Sie hätte doch nicht in diese Taverne gehen sollen. Womöglich wollte er sie fressen.

Ich sollte lieber gehen, ich .. ich..

Pia stotterte vor sich hin. Doch dieser Sias blieb vollkommen ruhig.

Sias hörte dem Mädchen ruhig zu. Pia hieß sie also... Ein schöner Name, fand er. Sie schein ein wenig verängstigt zu sein. Sias wollte nicht, dass sie aufgrund von unbegründeter Angst weglief und dann sterben würde. Er war sich relativ sicher, dass Arat und Anne bereits auf der Suche nach ihr waren, da sie normalerweise schnell mitbekamen, wenn sich ein Neuling in diesem Gebiet aufhielt. Sie hatte keine Chancen dort draußen.

Pia. Hallo. Ich freue mich, dass du auf die Taverne gestoßen bist. Auch, wenn du das nicht glauben magst, du bist genau so wie ich. So, wie alle hier. Jeder von uns ist hierhergekommen, indem er einfach aufwachte und hier war. Glaub mir, niemand hat jemals zurück gefunden. Wir haben hier einen weiblichen Panther. Farina heißt sie. Sie kam damals hier her und konnte all das nicht glauben. Sie hatte allein herausgefunden, dass sie sich in einen Panther verwandeln konnte und kam bereits als Panther zu uns. Als wir ihr all das erklärten, was mit ihr passiert war, wollte sie es nicht glauben. Sie wollte zurück nach Hause. Wir haben sie lange nicht gesehen. Haben schon gedacht, dass sie gestorben wäre. Doch eines Tages tauchte sie wieder bei uns auf. Sie erzählte, dass der Wald immer dichter wird, je weiter man hineinrennt. Und irgendwann kommt man nicht mehr hindurch. Auch nicht als Panther.

Sias hielt kurz inne, damit Pia verstand, was er alles sagte. Dann fuhr er fort.

Du bist mit zwei Seelen in dir geboren worden. Es hat lange gedauert, bis sie sich vereint haben. Das haben sie nun getan. Wenn sie dabei sind, sich zu vereinen, dann geht man meistens immer in einen Wald oder etwas Ähnliches. Zumindest war das bis jetzt bei jede von uns so. Dort schläft man dann plötzlich einfach ein. Und aufwachen tut man dann hier. Im Himmel befindest du dich allerdings nicht, man kann hier durchaus sterben. Das ist der Grund, weshalb du dich uns anschließen solltest. Hier gibt es nicht nur Wesen wie mich, die gut sind. In der Unterwelt leben einige Kreaturen, die sich an dem Tod von anderen erfreuen. Ich will dir keine Angst machen, aber gegen die hast du alleine keine Chance.

Sias nahm Pias Hand und zog sie zu sich auf das Sofa. Er sah sie an.

So, wollen wir mal herausfinden, was du tolles bist?

Pia wurde von Sias auf das Sofa gezogen. Als er sie fragte, ob sie wissen wollte, was sie für ein Tier sein konnte, war sie aufgeregt. Natürlich wollte sie das wissen!

Na klar! Wie finde ich das heraus?

Pia sah in Sias sein Gesicht und lächelte.

Übrigens.. Ja.. Ich bin 16 Jahre alt und lebte bei meiner Familie. Ging zu Schule, führte ein ganz normales Leben.. Und das muss ich nun für immer aufgeben...? Oh man.

Langsam senkte Pia ihren Blick. Sias war wunderschön. Aber so, wie er sich benahm, war er ja sowieso zu alt für sie. Sie schätzte ihn locker auf Mitte 20.

Sias hatte richtig geschätzt. 16 Jahre alt war dieses Mädchen. Pia tat ihm leid. Sie schien nett zu sein und er glaubte, dass es für sie schiwerig werden würde, mit all dem fertig zu werden.

Also, Pia, ich erkläre dir jetzt wie du dich verwandelst. Aber du tust es bitte noch nicht, ist das klar? Du bleibst einfach ganz still hier sitzten, so wie jetzt auch hier sitzt. Ich möchte nicht, dass du das alleine versuchst und dann etwas schief läuft. Ich werde gleich Farina benachrichtigen, dass sie herkommen soll. Nun gut. Du verwandelst dich normalerweise, indem du an deine Gestalt denkst. Ich beispielsweise müsste an mich als Wolf denken. An Momente, die ich als Wolf erlebt habe. Für dich ist das nun etwas schwer. Das erste Mal ist nie ganz einfach. Du musst die Augen schließen und dir vorstellen, wie deine Seele deinen Körper verlässt. Und du zu etwas anderem wirst. Das ist sehr kompliziert und kann lange dauern. Gut, ich rufe jetzt Farina...

Sias sah Pia noch einmal prüfend an. Doch zu ihrem Glück saß sie auf dem Sofa wie zuvor auch, sie regte sich nicht vom Fleck und machte auch keine Anstalten, etwas an ihrem Verhalten zu ändern.

Farina, ich bitte dich, in die Taverne zu kommen. Wir haben einen Neuling hier sitzen und ich will nicht, dass bei ihrer Erstverwandlung etwas schief läuft. Du wirst ihr helfen können.

Seufzend schaute Sias zu Pia.

Wenn wir Glück haben, dann wird sie gleich kommen. Je nachdem, ob sie gerade auf Jagd ist oder allgemein irgendetwas zu tun hat. Aber dann würde sie mir antworten. Ich habe per Gedanken mit ihr kommuniziert. Das kannst du auch.

Zwinkernd lächelte Sias.

Farina war gerade auf dem Weg zu den Klippen gewesen, als Sias ihr eine gedankliche Nachricht geschickt hatte. Sie konnte einen Neuling wohl kaum sitzen lassen. Für "sie" würde die Zeit in dieser Welt noch hart geng werden. Und Farina wusste genau, weshalb sie auf der Stelle kehrt machte und richtung Taverne lief. Sie hatte damals die Kontrolle über ihr Leben verloren. Durch Zufall hatte sie herausgefunden, dass sie sich in einen Panther verwandeln konnte und als sie Sias begegnet war, hatte er ihre Welt zum Einstürtzen gebracht. Er hatte ihr erzählt, dass sie niemals wieder zurück nach Hause kommen würde. Das hatte Farina nicht glauben wollen. Sie war losgelaufen, in jede Richtung. Doch nach langer Zeit hatte sie festellen müssen, dass Sias recht gehabt hatte.

Sias, ich bin auf dem Weg. Gib mir noch einen Moment.

Geschickt lief Farina zwischen den Bäumen hindurch und sprang über Baumstümpfe. Sie konnte die Taverne bereits sehen, dessen Fenster in der Mittaagssonne aufleuchteten. Farina drosselte ihr Temo und stand kurz darauf vor der Taverne. Langsam trat sie ein. Dort saß ein Mädchen neben Sias auf dem Sofa. Sie sah jung aus. Das arme Ding. In diesem Alter musste das alles sehr schwer für sie sein.

Hallo. Ich bin Farina. Wie du siehst, bin ich ein Panther. Mich interessiert es, wer du bist und vor allem WAS du bist.

Farina sprang elegant neben Pia auf das Sofa und verwandelte sich im Sprung zu ihrer natürlichen Menschengestalt, sodass sie sitzend neben Pia auf dem Sofa ankam.

Sias hat dir bereits erklärt, was du tun musst. Dann mal los, dich hintert niemand mehr daran. Für dich ist es besser, wenn du es jetzt erfährst. Glaub mir, alles, was Sias dir erzählt hat ist wahr. Nein, du wirst niemals wieder zurück nach Hause kommen. Das mag traurig sein, jedoch gibt es hier sehr sehr viele Leute, die sich um dich kümmern können und es auch tun werden. Ich wünsche dir viel Glück. Du als zerbrechliche junge Frau verdienst eine Gestalt, die dir eine unendliche Stärke verleiht.

Farina stich Pia über ihre Hand und lächelte. Sie meinte es ernst. Ja, hier würde es genug Leute geben, die sich um Pia kümmern würden. Auch Farina selbst würde, sofern es nötig werden würde, eine Art Mutterrolle übernehmen. Dieses Mädchen war sehr jung. Zu jung für diese Welt. Sie brauchte eine Mutter.

Schon als Farina die Taverne betreten hatte, hatte Pia die Luft anhalten müssen. Sias war ein echt atemberaubender Mensch. Pia hatte nicht damit gerechnet, dass sie jemanden kennenlernen würde, der ihr genauso den Atem rauben würde, wie Sias es getan hatte. Mit Farinas elegantem Sprung hatte sie sich bereits einen hohen Respekt bei Pia verschafft.

Hallo Farina.. Sias hat mir bereits von dir erzählt. Und das tut mir leid, dass du damals diese Enttäuschung erleben musstest. Das muss schlimm für dich gewesen sein. Ich selbst kann es noch nicht glauben und ich hoffe bis jetzt, dass ich irgendwann aus einem Traum aufwachen werde. Ihr seid viel zu schön für die Wirklichkeit, ich kann das alles einfach nicht glauben.

Pia klang ein wenig zittrig und so fühlte sie sich auch. Ja, sie hoffte, dass sie irgendwann in ihrem warmen Bett aufwachen würde. Sie hoffte, dass all das nur ein sinnfreier Traum war.

Ich... Das kann gar nicht wahr sein...

wimmerte Pia nun. Sie legte ihr Gesicht in ihre Hände und dachte an die schöne Zeit, die sie erlebt hatte. Und daran, dass all das nun vorbei sein sollte. Das konnte nicht wahr sein. Wie sollten sich denn bitteschön zwei Seelen in ihrem Körper befunden haben?! Unmöglich... Während sie so daran dachte, bemerkte sie, dass sich etwas veränderte. Sie spürte, dass ihre Hände weicher wurden. Ihr Gesicht härter. Komischer. Erschrocken riss sich Pia ihre Hände vom Gesicht und schaute auf. Sie war plötzlich ganz klein. Viel kleiner als Sias und Farina. Was war los?!

Was.....?!

Pia erkannte es sofort. Sie hatte an eine Seele gedacht. Daran, dass es unmöglich war. Und dadurch war sie zu einem anderen Wesen geworden! Was war sie?! Langsam blickte sie an sich herunter. Pia konnte nur Federn erkennen. Sollte das ein Scherz sein?! Sie war ein VOGEL?! Ein stinknormaler VOGEL?! Das konnte nun wirklich keine Realität mehr sein...

Sias hielt die Luft an. Dass Pia etwas besonderes war, das hatte er schon in dem Augenblick erkannt, in dem sie das erste Mal vor ihm gestanden hatte. Doch dass sie SO besonders war, das verschlug ihm die Sprache. Und die verlor er recht selten.

Pia. Ich gratuliere dir zu dem, was du bist. Du hast ein wahnsinniges Glück, glaube mir. Mit dem, was du bist, wirst du es hier nicht schwer haben. Zudem siehst einfach wunderschön aus!

Sias war nun völlig aus dem Häuschen. Ein solch schöner Adler war ihm noch nie begegnet. Mit der Gestalt hatte Pia alle Kräfte auf ihrer Seite. Sie konnte erkennen, was sich auf der Erde abspielte, selbst wenn sie sich um Kilometer in der Luft befand. Sie konnte kämpfen, hatte einen wundervoll geschwungenen Schnabel, der garantiert weh tat. Und das wichtigste für einen Neuling war natürlich ... - Sie konnte flüchten.

Du bist ein Adler. Das ist eine der besten Gestalten, die du hättest geschenkt bekommen können. Glaube mir. Du kannst fliehen, das ist für den Anfang hier eine der wichtigsten Fähigkeiten. Du wirst nicht sofort kämpfen können, das bedeutet also, dass du vor den Gefahren flüchten musst. Ich gratuliere dir von Herzen.

Sias lächelte und strich Pia über den Kopf.

Sie hat ein wahnsinniges Glück mit dem, was sie ist. Schade, dass sie das momentan noch nicht schätzen kann..

Farina stand auf und verwandelte sich wieder zu einem Panther.

Ich werde hier wohl nicht mehr gebraucht... Pia, Sias hat recht und du solltest so schnell wie möglich lernen, das zu schätzen, was du bist. Du kannst mich per Gedanken immer und zu jeder Zeit erreichen. Du musst nur an mich denken und dann in Gedanken zu mir sprechen. Ich werde es hören. Ich verspreche dir, ich werde da sein, wenn du mich brauchst.

Langsam trottete Farina richtung Tür.

Wobei ich sie eventuell nicht allein lassen sollte... Aber Sias ist ja noch hier. Ich weiß nicht...

Kurzerhand drehte sich Fraina wieder um und ging zurück zum Sofa. Dort sprang sie hinauf und legte sich in eine der gemütlichen Sofaecken.

Ich habe es mir anders überlegt. Ich bleibe hier.

Farina gähnte einmal herzhaft, dann legte sie ihren Kopf auf ihre Pfoten und schloss die Augen.

Sias begann langsam, Farinas Kopf zu streicheln. Als diese daraufhin leise begann zu schnurren, lächelte er. Farina hatte recht. Pia brauchte Zeit. Zeit, um das alles zu verstehen und Zeit, um sich selbst kennenzulernen. Es würde dauern. Lange dauern. Das wusste er aus Erfahrung. Wie oft hatte er mitbekommen, dass die Neulinge sich immer erst entfernten und dann umso stärker an einem festhielten. Er sah zu Farina. Auch sie war so jemand gewesen.

Farina, hast du eigentlich mitbekommen, was vorhin hier los war? Um es in Kurzform zu halten, Arat und Anne waren da um Unruhe zu stiften. Shari wurde dabei lebensgefährlich verletzt, Neil hat Alea gerufen. Irgendwann hörte ich nur, wie Neil dachte, dass du, ich, wir alle, verantwortungslos seien, denn wir würden ja wohl spüren, wann es Gefahr gibt. Nun ja, ich kam vorbei, um ihm das alles ein wenig zu erklären. Shari hat allerdings begonnen mich richtig fertigzumachen. Sie war sehr sauer..

Sias wusste nicht genau, weshalb er Farina diese Geschichte erzählte. Farina war sehr erfahren, was Menschen anging. Sie konnte gut mit ihnen umgehen und wusste meistens, was zu tun war. Wenn sie nicht aus ihrer realen Welt gerissen worden wäre, hätte sie glatt Psychologin werden können.

Und sie hat mich beschimpft. Sie war einfach anders als sonst. Charis hat etwas anderes aus ihr gemacht.Und nun benutzt sie ihren großen Wortschatz um mir wehzutun.

Für Sias war es nicht einfach über seine Gefühle zu sprechen. Jedoch konnte er in Farinas Gegenwart einige Dinge erwähnen. Normalerweise schob sich ein Riegel vor die Schublade mit den Gefühlen. Sein Körper lies es nicht zu, dass er darüber sprach. Doch bei Farina konnte Sias diese Schublade sogar einen Spalt weit öffnen.

Sias spürte Farinas Unruhe. Er wusste nicht genau, ob er vielleicht ihre Gedanken lesen sollte. Schließlich war das ihre Privatsphäre. Wenn Farina mit ihm darüber reden wollen würde, dann würde sie es ja auch tun. Folglich sollte er nicht wissen, was sie im Moment so sehr beschäftigte. Sias fand es nur ein wenig seltsam, dass ihre Unruhe so plötzlich kam. Was hatte sich so plötzlich in ihrem Leben verändert?

Danke Farina. Ich denke auch, dass Shari sich irgendwann wieder fangen wird und sie wird hoffentlich merken, dass sie mir weh getan hat. Vielleicht kommt sie ja sogar wirklich an und entschuldigt sich aufrichtig bei mir. Wer weiß. Aber, was beschäftigt dich denn plötzlich so sehr, dass du so unruhig bist? Ist alles in Ordnung?

Noch immer war sich Sias nicht sicher, ob er ihre Gedanken lesen sollte oder nicht. Natürlich war es nicht in Ordnung, wenn er das tun würde, allerdings wollte er wissen, was mit seiner Freundin los war. Er legte seine Hand auf ihren Kopf und begann, sie zu streicheln.#

Du könntest vielleicht eine Massage gebrauchen.

Zwinkernd lachte Sias.

Sias hatte zwar gewusst, dass es unfair war, Farinas Gedanken zu lesen, wenn sie nicht ihm reden wollte, jedoch hatte er es nicht lassen können. Sie sah mit einem Mal so traurig aus. Dieser Anblick war nicht leicht zu ertragen gewesen. Jedoch merkte er schnell, dass ihre Gedanken wirklich nicht für ihn bestimmt sagen. Es war nicht richtig, jemandem die Wahl abzunehmen, ob man die Liebe gestehen sollte, oder nicht.

Mist. Ich hätte das nicht tun sollen.

Seufzend sah Sias zu Farina, die sich in einer Ecke des Sofas zusammengerollt und zurückgezogen hatte.

Farina, wenn du mir etwas sagen willst, dann kannst du das tun. Du kannst mir alles sagen, wirklich alles. Und das solltest du wissen. Ich bin für dich da und ich werde auch immer für dich da sein. Wenn du das möchtest, dann kann ich dir das auch gerne versprechen. Ich verspreche es dir. Hoch und heilig. Bis auf alle Ewigkeit.

Sias rückte zu Farina und begann erneut sie zustreicheln. Irgendwie war sie ja schon ziemlich niedlich. Vor allem war sie nicht so wie die anderen. Sie glich eher ihm selbst. Und das mochte er an ihr. Er mochte diese dominante aber zugleich auch zurückhaltende Art an ihr. Sie hatte von allem etwas aber nicht zu viel. Sias wusste nicht genau, was er denken und sagen sollte, jedoch überlegte er sich, dass es alles werden könnte. Mit der Zeit.

Hey Süße.. Guck mich an. Und sag mir, was dich traurig macht. Erzähl mir, was du denkst und fühlst.

Mit aller überzeugender Kraft versuchte Sias Farina dazu zu überreden, dass sie mit ihm redete. Er wusste nicht genau, ob er sich so verhalten durfte, oder nicht. Er wusste nicht, wie Farina seine Gesen erkannte und welche Schlüsse sie daraus zog. Und er würde ihre Gedanken nun nicht mehr lesen. Also musste sie mit ihm reden.

Farina. Komm wieder her. Bitte.

Sias konnte es nicht ertragen, wenn Farina traurig war. Er konnte es nicht ertragen, wenn sie ihm nicht erzählte, was mit ihr los war. Er wusste, wie schwer ihr Leben einst gewesen war und wie sehr sie noch damit zu kämpfen hatte. Sias wusste, dass Farina jemanden brauchte, auf den sie sich verlassen konnte. Blind.

Fari, ich möchte, dass du wieder zurückkommst. Ich mag es nicht, wenn du traurig bist. Außerdem war es mit dir zusammen so viel schöner...

Nun musste Sias lächeln. Darauf würde sie eingehen. Auch wenn sie nicht zurückkam, sie würde auf jeden Fall etwas darauf erwidern. Er kannte sie zu gut.